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Der „Jobs to be Done“-Ansatz - Produkte als Dienstleistung

Aktualisiert: 6. Nov. 2023


Wenn es um Innovation geht, steht die Produktidee häufig im Mittelpunkt. Unsere Gedanken kreisen um Dinge wie Produktvision, Funktionalitäten und Qualitäten. Wir konzentrieren uns auf die Produktbeschaffenheiten, um Kunden zufrieden zu stellen.


Die Erfahrung zeigt uns aber, dass ein gut durchdachtes Produkt noch längst kein Garant für Erfolg ist.


Tony Ulwick erzählt in seinem Buch Jobs to be Done: Theory to Practice von seiner eigenen Erfahrung bei IBM. Im Jahr 1984 brachte IBM einen Computer namens PCjr auf den Markt, der den Heimcomputermarkt revolutionieren sollte. Fachleute prognostizierten mehr als eine Millionen verkaufte Einheiten für das Jahr 1984. Sie hielten das Gerät aufgrund seiner überragenden Grafik- und Soundleistung für den damals besten Gaming-PC. Stattdessen wurde das Produkt schon kurz nach dem Launch zum Flop und ließ sich nur mit starken Rabatten verkaufen. Kunden waren unter anderem davon enttäuscht, dass der PC auf einer eigenen Plattform lief und daher nicht mit anderen Anwendungen kompatibel war. Nach einem Jahr wurde das Produkt eingestellt.


Wie war es möglich, so kolossal zu scheitern?


Damals wie heute sind es die Kunden, die entscheiden, ob ein Produkt gut oder schlecht, nützlich oder überflüssig ist. Genau hier setzt der „Jobs to Be Done-Ansatz“ an: Um wirkliche Kundenzentrierung zu erreichen, werden die Prozesse der Kunden in den Mittelpunkt gerückt. Das Produkt und seine Beschaffenheiten treten erstmal in den Hintergrund.


Um die Prozesse der Kunden in den Mittelpunkt zu rücken, müssen wir uns fragen, welche Aufgaben das Produkt für den Kunden erfüllt („Jobs to be Done“). Das Produkt ist - so gesehen - ein Dienstleister für den Kunden. Der Kunde entscheidet sich unter einer Vielzahl von Bewerbern für dieses eine Produkt. Er stellt es sozusagen ein, um Aufgaben für ihn zu lösen.


Wie kann das praktisch aussehen?


Clayton M. Christensen (bekannt vor allem durch sein Buch The Innovators Dilemma) hat in einem Vortrag diesen Ansatz am Beispiel einer Fast Food-Kette beschrieben. Die Kette wollte herausfinden, wie sich der Absatz an Milchshakes steigern lässt.


Der Ansatz war zunächst produktzentriert: Die Kunden wurden gefragt, welche Produkteigenschaften sie sich wünschten: Sollten es mehr Schokoladenstücke im Milchshake sein? Mehr Geschmacksvarianten? Andere Größen? Auf diese Fragen äußerten die Kunden klare Präferenzen, die dann brav im Produkt umgesetzt wurden. Trotzdem stieg der Umsatz nicht.


Daraufhin wurde der Ansatz verändert: Nun stand nicht mehr das Produkt im Mittelpunkt, sondern das Verhalten der Kunden. 18 Stunden lang wurden Kunden in einem der Restaurants beobachtet:


  • Um welche Uhrzeit werden die Milchshakes vorwiegend gekauft?

  • Welche Art von Kunden kommen (Geschlecht, Kleidung, alleine oder in Begleitung)?

  • Was wird neben dem Milchshake noch gekauft?

  • Wird der Milchshake im Restaurant konsumiert oder außerhalb?


Die Befragungen ergaben, dass circa die Hälfte der Milchshakes früh am Morgen gekauft wurden (gegen 6.30 Uhr). Die Konsumenten waren überwiegend männlich, sie kamen alleine und kauften nichts anderes. Nach dem Kauf stiegen sie in ihr Auto und fuhren davon.


Am nächsten Tag wurden die Kunden auf dem Weg zum Auto befragt, um herauszufinden, welche Aufgaben der Milchshake für sie erfüllt. Dabei ergab sich folgendes Bild: Die Kunden hatten meist einen langen und langweiligen Arbeitsweg vor sich. Während sie mit einer Hand am Lenkrad waren, hielten sie den Becher Milchshake in der anderen. Der Milchshake hielt sie wach, füllte den Magen, und gab ihnen während des langen Wegs eine willkommene Ablenkung.





Darüber hinaus ergab die Befragung, dass der Milchshake der am besten geeignete Kandidat zur Erfüllung dieser Aufgabe war. Kunden berichteten von Erfahrungen mit Alternativen wie Bananen, Bagels oder Schokoladenriegel: Die waren schnell aufgebraucht, machten Krümel, waren umständlich zu konsumieren oder verschmierten die Hände. Ein Milchshake läuft dagegen auch in Schräglage nicht aus, passt in den Flaschenhalter im Auto, und kann langsam konsumiert werden.


Milchshakes, so stellte sich heraus, waren der passende Begleiter für Autofahrer auf dem Weg zur Arbeit. Diese Erkenntnis war der Schlüssel für die Fast Food-Kette, um das Produkt noch attraktiver zu machen:


  • Die Zähflüssigkeit wurde erhöht, um den Konsum über längere Fahrten zu strecken.

  • Kleine Fruchtstücke wurden hinzugefügt, um den Ablenkungseffekt beim Konsum zu verstärken.


Clayton M. Christensen berichtet, dass durch diesen Ansatz der Milchshake-Konsum vervierfacht wurde. Darüber hinaus konnte durch diese Betrachtungsweise der Milchshake-Markt neu definiert werden: Die wahren Mitbewerber von Milchshakes waren demnach nicht Säfte, Eis oder Softdrinks, sondern Schokoriegel, Bagels und Bananen.

In agilen Rahmenwerken wie Scrum sind User Stories ein übliches Mittel, um die Anforderungen der Kunden aus ihrer Sicht zu beschreiben.


Ohne eine Befragung der Kunden zu ihren "Jobs to Be Done" wäre die User Story für Milchshakes wohl generisch geworden. So etwas wie:

Als Kunde möchte ich einen Milchshake trinken, um einen süßen Genuss zu haben.

Durch die Befragung und das damit verbundene Hineinversetzen in die Prozesse der Kunden ist ein schärferes Bild möglich. So ergibt sich dann auch eine ganz andere, viel mächtigere User Story:

Als Autopendler mit langer Fahrt möchte ich am Morgen im Auto etwas zum Naschen haben, dass ich langsam und ohne Umstände genießen kann.

Wie gut kennen Sie das Verhalten und die Prozesse Ihrer Kunden? Welche Aufgaben erfüllen Ihre Produkte, und gegen wen treten sie dabei an?


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Bilder erstellt mit Bing Bild Creator




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